„Wie bitte? Ein Handgriff an den Stufen zur Kirchentür?“ Ich war etwas konsterniert ob dieses Vorschlags für die jährliche Spendenaktion. Ich fand das Projekt ziemlich unattraktiv. Ein kaltes Stück Metall. Ich widerstand dem Impuls zu sagen: „Nee, das ist aussichtslos. Ich weiß es besser. Schlagt Euch das mal aus dem Kopf.“ Stattdessen fragte ich das Fundraisingteam: „Wer, denkt Ihr, spendet dafür?“
Die Antwort war unerwartet und überzeugte mich. Die Pfarrerin und Kirchenvorstand erklärten, dass die Gottesdienstbesucher*innen, die auf einen Rollator oder einen Gehstock angewiesen sind, über die Rampe durch einen Nebeneingang in die Kirche kommen. Viele von ihnen würden sich jedoch liebend gern nach dem Gottesdienst persönlich von der Pfarrerin oder dem Pfarrer an der Kirchentür verabschieden. Ein kurzer Kontakt, der vielen von Ihnen wichtig ist. Doch der fehlende Handlauf ließ sie nicht zu den Stufen gehen.
Und tatsächlich, es war ein gutes Projekt. Es war schnell ausfinanziert und auch ein Schlossereibetrieb meldete sich in der Gemeinde und bot an, das Geländer allein zu den Materialkosten zu realisieren.
Ein Tanztheater in eine Kirche?!
„Wie bitte? Ein Tanztheater in der Kirche?“ Diese Frage wird sich so manch ein Mannheimer Bürger und wohl auch Kulturschaffender 2016 gestellt haben. Da hatte die Evangelische Kirche in Mannheim nach einem Ideenwettbewerb beschlossen, die seit Jahren nicht mehr genutzte Trinitatiskirche für zunächst fünf Jahre dem La-Troittier Dance Collective als Proben- und Aufführungsraum zur Verfügung zu stellen.
Das Projekt, der Entwurf für die Innengestaltung der Kirche, vor allem aber auch die Energie der Bewerber, Eric Troittier und Daria Holme, steckten an. Sie hatten eine Vision, die fesselte. Sie überzeugte in der Folge auch die Stadt Mannheim, das Land Baden-Württemberg und den Bund. Von allen wird das entstandene EinTanzhaus binnen kurzer Zeit mit mehreren hunderttausend Euro gefördert. Es bildete sich ein Förderkreis, Unternehmen wurden auf das Projekt und die neue Eventlocation aufmerksam.
Nach nur neun Monaten Umbauzeit eröffnete am 30.9.2017 das EinTanzhaus in der Trinitatiskirche seine Pforten. Das Projekt und das Programm waren von Beginn an ein großer Erfolg. Die mediale Aufmerksamkeit war seit der Entscheidung für das Tanzensemble riesig.
Wann zündet eine Idee?
„Money follows vision“ oder wie mein Kollege Paul Dalby zu sagen pflegt: „Das Geld folgt den guten Ideen.“
Es gehört zu den grundlegenden Wahrheiten im Fundraising, dass mindestens 50% des Erfolgs einer Fundraisingaktion von der Qualität des Projekts abhängen. Doch wann ist eine Idee gut? Wann trägt eine Vision?
Es reicht nicht, wenn wir als Projektverantwortliche von unseren eigenen Ideen überzeugt und begeistert sind. Ich habe schon einige Projekte scheitern sehen, von denen Vorstände und Geschäftsführer überzeugt waren. Doch dann mussten sie erfahren, dass trotz aller Anstrengungen bei weitem nicht genug Spenderinnen und Spender gefunden werden konnten. Für nicht wenige Verantwortliche war das eine narzistische Kränkung.
Die Durchführung einer Spendenaktion ist auch immer so etwas wie ein Realitäts- bzw. Relevanzcheck.
Ob ein Projekt relevant ist, erfährt man entweder durch die spontane Anteilnahme vieler Menschen an der Idee. Aber auch die Einschätzung von relevanten Anspruchsgruppen ist wertvoll. Ob etwa die Gründung einer Stiftung Aussicht auf Erfolg hat, findet man heraus, wenn darüber mit den besonders verbundenen Spender*innen in privater Atmosphäre gesprochen wird, noch bevor man damit an die Öffentlichkeit geht. Die Pfarrer der oben erwähnten Kirchengemeinde wussten aus Gesprächen zwischen Tür und Angel, dass ein Geländer an der Kirchentür relevant ist.
Was aber war bzw. ist die gute Idee am EinTanzhaus in der Trinitatiskirche? Sicherlich, die Aussicht darauf, dass die freie Tanzszene in Mannheim und der Region nach Jahren und Jahrzehnten endlich die Möglichkeit hatte, eine attraktive Proben- und Spielstätte zu bekommen, war von Relevanz für die politischen Entscheider in der Kulturförderung. Doch da war auch ein ästhetisches Moment, das begeisterte, ja inspirierte.
Es entstand der Ausblick auf etwas Neues, das es noch nicht gab. Da gab es das Versprechen auf das Zusammenspiel eines einzigartigen Baudenkmals mit einem modernen Tanzensemble. Es gab das Versprechen auf neue Vitalität in leerstehenden Kirchenmauern.
Relevant sind Projekte damit oft, wenn sie ein innovatives Moment haben, wenn sie eine Situation zum Besseren verändern. Etwas neues schaffen, die Situation von Menschen in Not ändern, das sind starke Attraktoren und Visionen für Unterstützer*innen. Sie wollen Wirkung erzielen.
Kommunikation und Vertrauen sind die anderen 50%
Die anderen 50% des Erfolgs einer Fundraisingaktion bestehen z.T. in der effektiven Kommunikation des Projekts, seiner Vision und seiner Erfolge. Denn wenn die richtigen Zielgruppen von der guten Idee nicht erfahren, bleibt die notwendige Unterstützung aus. Es geht also um handwerklich bzw. fachlich saubere Kommunikation.
Insbesondere bei Projekten, die sich erst bewähren müssen oder noch realisiert werden, geht es bei aller Begeisterung darum darzustellen, wie das Ziel erreicht werden kann. Die ersten und die nächsten Schritte müssen nachvollziehbar und realistisch geschildert werden.
So wird Vertrauen in das Projekt und die damit verbundenen Akteure und ihre Organisation aufgebaut. Vertrauen, vor allem in die Leistungsfähigkeit und Kompetenz der NGO, ist für Spender*innen eminent wichtig.
fivty-fifty im Verhältnis Idee zu Handwerk? So einfach ist es nicht. Die Fundraising-Weisheit „Money follows vision“ spricht der Vision, der guten Idee, wohlweißlich die erste Stelle zu. Sie ist der wesentliche Treiber einer guten Fundraisingaktion.
(Bild: jonbonsilver by pixabay.com)
Quellen:
Dalby, Paul: Das Geld folgt den guten Ideen, in: Fundraiser (2/2011), https://fundraiser-magazin.de/files/archiv/pdf/fundraiser_22_2011-02.pdf, zuletzt aufgerufen am 13.7.2011, S.96