Was für ein Missverständnis: „Dieses ‚Tue Gutes und sprich darüber‘ ist der protestantischen Seele strukturell fremd.“ Als Protestantin arbeite man viel, habe dabei aber „[…] so ’ne eine Grunddemut, so ’ne Grundbescheidenheit und lasse das nicht so raushängen.“ Das sagte Anne Gideon, die Rektorin des Pastoralkollegs der Nordkirche und Pfarrerin, bei einem Streitgespräch im Deutschlandfunk mit dem Politik- und Kommunikationsberater Erik Flügge am 31.10.2020 [Deutschlandfunk 2020] .
Erik Flügge hatte darum geworben, die Kirchen und ihre Institutionen für die Gesellschaft erkennbarer zu machen. Heribert Prantl kritisierte in der Süddeutschen Zeitung vom 7. August 2020 harsch die Kirchen [Prantl 2020]. Sie hätten sich in der Coronakrise zurückgezogen und versagt. Flügge folgerte daraus, dass Kirche, Caritas und Diakonie wesentlich offensiver und wirksamer kommunizieren müssten. Prantls Vorwürfe waren bei näherem Hinsehen vollkommen überzogen und falsch.
Todsünde vs. Kardinaltugend?
Diese Zurückhaltung in Sachen PR-Arbeit ist keineswegs nobel sondern einfach grundfalsch. Und das ist eine Einstellung, der man auch bei anderen — weltlichen — Organisationen begegnen kann. PR-Arbeit, Werbung für die eigene Sache, erscheint als unehrenhaftes weil eitles Geschäft. Da wird die professionelle Selbstdarstellung in die Nähe der superbia, des Hochmuts gerückt — eine der sieben Todsünden. Und dieser Gefahr begegnet man mit demonstrativen Übungen in temperantia, der Kardinaltugend der Mäßigung. Werbung ist ein unmoralisches Handeln, vor dem man sich hüten muss.
Ich! Ich! Ich?
Und sind die Auswüchse unserer hedonistischen Aufmerksamkeitsökonomie im Internet, in der ständig „Ich! Ich! Ich!“ gerufen werden muss, nicht die besten Belege für diese Einschätzung? Als NPO ist man idealistisch bewegt. Die Organisation will die Welt verbessern und für andere da sein. So gepolt gerät man scheinbar zwangsläufig mit Methoden der PR- und Fundraisingarbeit in ethische oder moralische Konflikte. Denn ganz ohne Werbung in eigener Sache geht es dann doch nicht. Anne Gideon bezeichnete den „Werber“ in dem o.g. Gespräch gar als „Reisegeisel“ und als jemanden, „der uns im Pelz“ sitzt. Wenig schmeichelhafte Metaphern, welche illustrieren, wie ungewollt und gleichzeitig doch notwendig PR-Arbeit und Marketing sind.
Es geht um die Sache
Diese moralische Abwertung von Werbung und PR sowie die damit verbundenen Befürchtungen sind unnötig. Sie sind sogar falsch. Denn wie bei so vielen Dingen kommt es auch hier auf die persönliche Haltung an. Bei der Werbung im Allgemeinen und bei der Spendenwerbung im Besonderen geht es gerade nicht darum, einzelne Personen ins Rampenlicht zu stellen und sie eitel bewundern zu lassen. Es geht vielmehr um „die Sache“, die Werte, die Ideen und Ziele, für die sich die Organisation einsetzt. Dafür und für die Organisation als Verkörperung, als probates Mittel der Durchsetzung dieser Werte, Ideen und Ziele soll geworben werden.
Werbung um Vertrauen
Georg-Volkmar Graf von Zedtwitz-Arnim (1925–1993) gab seinem 1961 herausgegebenen Handbuch der Public Relations für die Wirtschaft den Titel „Tu Gutes und rede darüber“ [Zedtwitz-Arnim 1961]. Diese Weisheit wird meist dem kommunistischen Politiker Walter Fisch (1910–1966) zugerechnet. Das Buch von Graf von Zedtwitz-Arnim ist ein maßgebender Klassiker der PR-Arbeit in Deutschland geworden. Er definiert PR-Arbeit dort als „Vertrauenswerbung“ einer Organisation und grenzt diese von der Absatzwerbung und dem Marketing ab. Unter letzterer muss man im Nonprofitbereich auch das Fundraising im eigentlichen Sinne verstehen.
„Ziel der Public Relations ist die Schaffung eines Klimas der Sympathie in der gesamten Umwelt des Unternehmens.“ [S.49] Wobei Marketing bzw. Fundraising und PR-Arbeit immer abgestimmt Hand-in-Hand gehen sollen. Denn – ich übertrage von Zedwitz-Arnims Gedanken in den Nonprofitbereich – es bringt einer Organisation auf Dauer nichts, hehre Organisationsziele zu haben und fachlich gute Arbeit zu leisten, wenn das nicht in ihrer Umwelt bekannt ist. Das „es bringt nichts“ ist in diesem Zusammenhang durchaus wörtlich zu verstehen. Bleibt die Arbeit unbekannt, bleiben auch die Mittel und Unterstützer:innen aus.
Das gilt im Nonprofitbereich konsequenter als bei kommerziellen Projekten. Denn im NPO-Bereich sind die Nutznießer:innen der Arbeit oft nicht identisch mit der Gruppe der Finanziers. Anders ist das im Profitbereich, wo die Kundinnen für die von ihnen selbst nachgefragten Leistungen bezahlen. Das bedeutet, dass eine NPO ihr Handeln meist zeitgleich in unterschiedliche Richtungen auf unterschiedliche Arten kommunizieren muss.
Gute Arbeit sichtbar machen
Ich lerne bei meinen Beratungen immer wieder Projekte kennen, wo ich schnell von den Zielen und Absichten überzeugt bin. Die Mitarbeiter:innen machen gute Arbeit. Und deswegen sind sie oft gekränkt, dass ihnen zu wenig Mittel zur Verfügung stehen. Meist hat es damit zu tun, dass die Organisation zu unsichtbar in der Öffentlichkeit und gegenüber den relevanten Geber:innengruppen ist. Sie kommuniziert ihre Arbeit zu wenig und zu unsystematisch.
Deswegen ist eine der Hauptstrategien bei der Erstellung von Fundraisingkonzepten die Steigerung der Sichtbarkeit der Arbeit einer Organisation in ihrer Umwelt und gegenüber ihren Anspruchsgruppen. Tu Gutes und rede darüber. Und wenn man von Zedtwitz-Arnims Ansatz ernst nimmt, dann geht es um weit mehr als die Sichtbarkeit. Es geht darum, dass die Umwelt und die Anspruchsgruppen Vertrauen zu der Organisation aufbauen. Sie sollen davon überzeugt sein, dass das, was sie macht, gut und richtig ist.
Vertrauen ist ein Beziehungsbegriff. Von Zedtwitz-Arnim nimmt damit das Konzept der Public Relations wörtlich. Die Organisationen sollen in einen aktiven Austausch, einen Dialog, mit ihrer Umwelt kommen. Und das entspricht den Aufträgen der meisten NPOs, deren Engagements dem Gemeinwesen gelten. Vertrauen ist die Grundlage für eine dauerhafte Beziehung zu Spender:innen.
Vielleicht ist genau dieser Dialog das, was einige Akteure in Organisationen fürchten oder verunsichert. Denn im Austausch mit den Anspruchsgruppen und der Umwelt wird die eigene Arbeit auf den Prüfstand gestellt, werden Vorgehen und Strategien von außen hinterfragt. Es bedarf Selbstbewusstseins, Auskunftsfähigkeit und Offenheit seitens der Organisation für diesen Dialog. Dann jedoch gelingt diese Vertrauenswerbung.
Zeitlose Weisheit
„Tu Gutes und sprich darüber.“ Diese Weisheit ist von zeitloser Aktualität. Stellen Organisationen aus welchen Gründen auch immer ihr Licht unter den Scheffel, werden sie ihr Unterstützer:innenpotential nur zu einem Bruchteil heben. Und das nicht nur, weil ihr Tun im technischen Sinne weithin unsichtbar bleibt. Sie versagen auch darin, Beziehungen zu den Menschen und Institutionen aufzubauen, welche die Ziele und Visionen teilen. Public Relations-Arbeit ist eine wesentliche Aufgabe einer jeden Organisation, um ihren Auftrag zu erfüllen. Tut sie das systematisch, wird sie auch im Fundraising Erfolg haben.
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Quellen
- „Verspielen die Kirchen ihre Systemrelevanz? Erik Flügge vs. Anne Gidion“. 2020. Deutschlandfunk. https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=875355. ↑
- Prantl, Heribert. 2020. „Kirchen in der Corona-Krise Was war mit Glaube, Liebe, Hoffnung“. Timotheusbrief, Nr. 4: 20–22. ↑
- Prantl, Heribert. 2020. „In der Corona-Krise waren die Kirchen zu still“. Süddeutsche.de. 7. August 2020. https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-corona-kolumne-prantl‑1.4992658. ↑
- Zedwitz-Arnim, Georg-Volkmar Graf. 1981. Tu Gutes und rede darüber. Das „klassische“ Handbuch der Public Relations für die Wirtschaft. München: Heyne. ↑