„Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen einen langen Brief schreibe, für einen kurzen habe ich keine Zeit.“ (Fundraising-Weisheit #12)

In die­sem Bei­trag gehe ich von der Erfah­rung aus, dass es ver­hält­nis­mä­ßig viel Zeit benö­tigt, um prä­gnan­te Tex­te zu schrei­ben. Und ich fra­ge mich, ob bzw. was das Out­sour­cing der Text­ar­beit, z.B. an KI-Sys­te­me, dar­an tat­säch­lich ändern kann.

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Ent­schul­di­gen Sie, dass ich Ihnen einen lan­gen Brief schrei­be, für einen kur­zen habe ich kei­ne Zeit.

Die­ses Zitat mag kei­ne tra­di­tio­nel­le Fund­rai­sin­g­weis­heit sein. Mir geht sie aber immer wie­der durch den Kopf, wenn ich Spen­den­brie­fe oder ande­re Tex­te fürs Fund­rai­sing ver­fas­sen muss. For­mu­liert der Satz doch eigent­lich eine Erfah­rung, die vie­le Autor:innen ken­nen dürf­ten. Das kon­zen­trier­te Schrei­ben braucht Zeit. Und Weis­hei­ten sind eben nichts ande­res als Erfahrungswissen.

Das ist der Grund, wes­halb die­ses Zitat immer wie­der ein­mal ange­führt wird. Es wur­de in der Ver­gan­gen­heit ver­schie­de­nen Schriftsteller:innen zuge­schrie­ben: Vol­taire, Mark Twa­in, Johann Wolf­gang zu Goe­the oder Char­lot­te von Stein. Tat­säch­lich stammt es vom Uni­ver­sal­ge­lehr­ten Blai­se Pas­cal (1623–1662) (Krieg­ho­fer, 2017).

Pas­cal schreibt die­se Wor­te am Ende des 16. Brief aus der Pro­vinz (Pas­cal, 1657). Er ist Teil eines fik­ti­ven theo­lo­gisch-phi­lo­so­phi­schen Brief­wech­sels, der wegen sei­ner pro­gres­si­ven und kri­ti­schen Gedan­ken sehr popu­lär wur­de. Fik­ti­on hin oder her. Das Zitat reflek­tiert die grund­sätz­li­che Her­aus­for­de­rung, wel­che das Ver­fas­sen kur­zer und prä­gnan­ter Text­for­men darstellt.

„Laber nicht!“

Die Zeit, die für das Ver­fas­sen eines kur­zen Tex­tes, sei es eines Spen­den­briefs, einer Mar­ke­ting-E-Mail oder auch eines Pos­tings benö­tigt wird, steht in kei­nem pro­por­tio­na­len Ver­hält­nis zu sei­ner begrenz­ten Länge.

Dass sich Pas­cal beim Adres­sa­ten ent­schul­digt, hat sei­nen guten Grund. Eine strin­gen­te Glie­de­rung und ein auf Les­bar­keit bedach­ter Stil machen es der Leser:in leicht, den Gedan­ken und Anlie­gen des Autors zu fol­gen. Lang­at­mi­ges und unstruk­tu­rier­tes Geschrei­be sind dem­ge­gen­über eine Zumu­tung. Prä­gnanz emp­fiehlt sich nicht nur aus Höf­lich­keit. Sie liegt auch im Inter­es­se des Ver­fas­sers. Will er doch, dass sei­ne Gedan­ken und Anlie­gen beim Emp­fän­ger ankommen.

Übung macht den Meister

Rund zehn bis zwölf Spen­den­brie­fe schrei­be ich pro Jahr für diver­se Gemein­den und Pro­jek­te der Evan­ge­li­schen Kir­che und des Dia­ko­ni­schen Werks in Mann­heim. Und das mache ich nun seit 16 Jah­ren. Einer­seits bin ich dadurch über die Zeit immer erfah­re­ner und rou­ti­nier­ter gewor­den. Ich bin stil­si­che­rer und ver­mei­de auto­ma­tisch lan­ge Sät­ze, Fremd­wor­te, Füll­wör­ter und ach­te auf einen Verbalstil.

Auch Hilfs­mit­tel wie das AIDA-(fundraising-evangelisch.de, 2025) oder das PAS-Sche­ma (Widen­house, 2025) hel­fen beim Glie­dern der Tex­te. Das Ziel von Spen­den­brie­fen liegt auf der Hand. So geht es vor allem um das Wie hin­sicht­lich des Call to Action. Es fühlt sich manch­mal fast wie “Malen nach Zah­len” an. Das Gerüst ist vor­ge­ge­ben, es muss nur noch aus­ge­füllt werden.

Beschleunigung durch Outsourcing?!

Doch dabei wird auch die Gefahr deut­lich, die in der Rou­ti­ne liegt. Letz­tens erzähl­te mir ein Kol­le­ge aus einer grö­ße­ren Ein­rich­tung, dass sie ihre Spen­den­brie­fe seit eini­gen Jah­ren — aus Zeit­grün­den — nicht mehr selbst schrei­ben. Das erle­digt inzwi­schen eine Agen­tur. Natür­lich brie­fen sie die Agen­tur hin­sicht­lich der Pro­jek­te. Und sie über­ar­bei­ten alle Ent­wür­fe, die sie von der Agen­tur bekom­men. Denn — so mein Kol­le­ge — die Brie­fe der Agen­tur wir­ken irgend­wie immer gleich. Zudem mer­ke man, dass die Autoren mit den Pro­jek­ten nicht beson­ders ver­traut und ver­bun­den sind.

Ich war ver­sucht zu fra­gen, wes­halb sie dann eine Agen­tur mit dem Schrei­ben von Spen­den­brie­fen betrau­en. Wel­chen Vor­teil hat das noch? Gleich­zei­tig erkann­te ich, dass die Zusam­men­ar­beit mit einer Agen­tur nicht zwangs­läu­fig den Schreib­pro­zess wesent­lich verkürzt.

Meine Zielgruppen und meine Geschichten

Die meis­te Zeit beim Schrei­ben von Spen­den­auf­ru­fen benö­tigt mei­ner Erfah­rung nach die Geschich­te und die Art und Wei­se, mit der ich den Cau­se, den Zweck unse­rer Arbeit, beschrei­be. Ich sau­ge mir da nichts aus den Fin­gern. Ich bit­te unse­re Sozialarbeiter:innen, Pfarrer:innen, Kantor:innen oder ande­re Mitarbeiter:innen in den Pro­jek­ten dar­um, mir ein oder zwei typi­sche Bege­ben­hei­ten aus ihrer Arbeit zu erzäh­len oder zu schreiben.

Für mich geht es in der Fol­ge dar­um, zu über­le­gen, wie ich die Geschich­te wem erzäh­le. Mir die Ziel­grup­pen zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, an die ich schrei­be, ist ein bewuss­ter Akt. Anhand der Daten­bank und ein­zel­ner Begeg­nun­gen mit Spender:innen ver­su­che ich mir ein Bild von den Men­schen zu machen, die das jewei­li­ge Pro­jekt unter­stüt­zen. Was weiß ich über sie? Wel­che Moti­ve haben sie? Was inter­es­siert sie? Was scheint sie ästhe­tisch anzu­spre­chen bzw. abzu­schre­cken? Das sind kei­ne nach den Regeln der Kunst erstell­ten Per­so­nas, doch es geht in die­se Richtung.

So klärt sich Schritt um Schritt, wel­che Sto­ry ich wie für mei­ne Ziel­grup­pe erzäh­len möch­te. Das Schrei­ben ist dann vor allem eines: Ein Handwerk.

KI — Ein neues Schreibwerkzeug in der Federtasche

Kürze diesen Brief auf einen Briefbogen. Alle wesentlichen Themen sollen benannt werden. Korrigiere den Text und verbessere die Lesbarkeit für meinen 60jährigen Freund, den Landpfarrer.

Die­ser Prompt in einem LLM hät­te Blai­se Pas­cal wahr­schein­lich sei­ne Ent­schul­di­gung erspa­ren kön­nen. In Win­des­ei­le hät­ten ChatGPT, Mis­tral AI und Co. den schnell und viel zu lang geschrie­be­nen Brief zurechtgestutzt.

Gene­ra­ti­ve KIs, soge­nann­te Lar­ge Lan­guage Modells (LLM), ver­än­dern aktu­ell her­kömm­li­che Pro­zes­se der Text­pro­duk­ti­on. Sie haben auch Ein­fluss auf die damit zusam­men­hän­gen­den krea­ti­ven Pro­zes­se. Die von den Sys­te­men rasend schnell geschrie­be­nen Tex­te ver­hei­ßen, die Pro­zes­se der Text­pro­duk­ti­on enorm zu beschleu­ni­gen und Zeit einzusparen.

Korrigieren und Redigieren

Tat­säch­lich kön­nen die LLMs das Schrei­ben von Spen­den­brie­fen erleich­tern — fin­de ich. Das Kor­ri­gie­ren und Redi­gie­ren mit LLMs ist defi­ni­tiv kom­for­ta­bel und ein­fach zu bewerk­stel­li­gen. Die Les­bar­keit von Tex­ten lässt sich schnell ver­bes­sern. Das kann zudem mit Blick auf Ziel­grup­pen geschehen.

Hilfe beim Kreieren

Gute Erfah­run­gen habe ich damit gemacht, aus­ge­hend von einer Fall­ge­schich­te, einen ers­ten Ent­wurf für einen Spen­den­brief schrei­ben zu las­sen. Ent­schei­dend für das Ergeb­nis dabei ist, dass man beim Promp­ten so viel Kon­text wie mög­lich zum Pro­jekt, der Ein­rich­tung, dem Anlass, der Rol­le des Ver­fas­sers mitgibt.

So ent­ste­hen ers­te Fas­sun­gen, die ich gege­be­nen­falls in einem wei­te­ren Dia­log mit dem LLM noch ver­än­de­re. Alle wei­te­ren Über­ar­bei­tun­gen ent­ste­hen auf her­kömm­lich manu­ell-mensch­li­che Weise.

Für die Betreff­zei­le und das PS kann las­se ich mir ger­ne von der KI drei Vor­schlä­ge machen. Bis­lang habe ich kei­ne davon über­nom­men. Doch die Vor­schlä­ge dien­ten als Hin­wei­se, in wel­che Rich­tung es gehen könnte.

Schnelles Adaptieren

LLMs sind mei­nes Erach­tens auch sehr hilf­reich dabei, fer­ti­ge Tex­te für ande­re Zwe­cke oder in ande­re Text­sor­ten anzu­pas­sen. Schnell kann aus einem Spen­den­brief ein E‑Mailing gene­riert wer­den. Die Text­län­ge wird auto­ma­tisch ange­passt. Die Tona­li­tät wird dring­li­cher und der Call-to-Action-Link an der rich­ti­gen Stel­le posi­tio­niert. Und falls einem das AIDA-Sche­ma nicht passt, kann man den Ent­wurf schnell ins PAS-Sche­ma umstellen.

Auch eine Du-Ver­si­on von einem Text zu erstel­len, der ursprüng­lich mit for­ma­ler Anre­de geschrie­ben war, ist mit einer Ein­ga­be erledigt.

Dank­brie­fe sind im Moment mein liebs­ter Anwen­dungs­fall. Einen pas­sen­den Dank­text zu den Spen­den­auf­ru­fen zu erstel­len, erfor­dert nur den Spen­den­brief und zwei oder drei Prompts. Hier haben LLMs für mich tat­säch­lich eine deut­li­che Arbeits­be­schleu­ni­gung gebracht. Die­se glei­cher­ma­ßen wich­ti­ge wie von mir manch­mal unge­lieb­te Arbeit erle­di­ge ich jetzt tat­säch­lich unmit­tel­bar nach der Fer­tig­stel­lung des Spendenaufrufs.

Prüfet alles, das Gute behaltet

Bei alle­dem gilt aber, dass die Ergeb­nis­se der LLMs geprüft wer­den soll­ten. Zum einen schlei­chen sich manch­mal doch Feh­ler ein. Dop­pe­lun­gen wer­den manch­mal nicht erkannt. Aber auch durch das Modell ein­ge­füg­te Fak­ten, soll­ten min­des­tens auf Plau­si­bi­li­tät hin geprüft wer­den. Ein­mal ließ ich z.B. die Ent­fer­nung von Mann­heim und Heil­bronn in einen Text ein­fü­gen. Statt der rund 80 km wur­den gut 90 km ange­ge­ben. Beim Lesen brach­te mich ein Stör­ge­fühl dazu, den Wert nachzuprüfen.

Auch sprach­lich behal­te ich mir das letz­te und auch das vor­letz­te Wort vor. Nur so kann ich genau­er auf mei­ne Ziel­grup­pen ein­ge­hen und den Stil indi­vi­du­ell hal­ten. Ansons­ten lan­den wir auch mit den KI-Model­len da, wo der Kol­le­ge, von dem ich oben schrieb, schon mit den Ent­wür­fen der Agen­tur war: In der Beliebigkeit.

Schneller? Vielleicht.
- Einfacher? Sicher!

Trotz des Ein­sat­zes von LLMs bleibt der Aus­spruch von Blai­se Pas­cal aktu­ell. Es bedarf eines gerüt­telt Maß an Zeit, um einen kur­zen und les­ba­ren Spen­den­brief zu schrei­ben. All die kon­kre­ten Bezü­ge zur mensch­li­chen Wirk­lich­keit, sei­en es Anek­do­ten aus dem Pro­jekt, die Situa­ti­on unse­rer Orga­ni­sa­tio­nen oder die Erfah­run­gen mit unse­ren Spender:innen müs­sen wir selbst bei­tra­gen und ein ers­tes Mal for­mu­lie­ren — und sei es als Prompt in einem LLM.

Ob der Ein­satz von LLMs die Text­pro­duk­ti­on im Fund­rai­sing deut­lich beschleu­nigt hat, kann ich im Moment objek­tiv nicht beur­tei­len. Der Fak­tor Mensch wird aktu­ell nicht zurück­ge­fah­ren geschwei­ge denn aus­ge­schal­tet. Dass es sich viel­leicht manch­mal schnel­ler anfühlt, mag an einem ande­ren Umstand lie­gen: KI macht eini­ges beim Tex­ten weni­ger mühe­voll und leichter.

 

Quellen

fundraising-evangelisch.de. 2025. „AIDA-Regel im Fund­rai­sing“. Fund­rai­sing Evan­ge­lisch. 2025. https://www.fundraising-evangelisch.de/aida.

Krieg­ho­fer, Gerald. 2017. „ZITATFORSCHUNG: ‚Lie­ber Freund, ent­schul­di­ge mei­nen lan­gen Brief, für einen kur­zen hat­te ich kei­ne Zeit.‘ Char­lot­te von Stein (angeb­lich)“. ZITATFORSCHUNG (blog). 9. Novem­ber 2017. https://falschzitate.blogspot.com/2017/11/lieber-freund-entschuldige-meinen.html.

Pas­cal, Blai­se. 1657. Les pro­vin­cia­les; ou, Les lett­re ecri­tes par Lou­is de Mon­tal­te à un pro­vin­cial de ses amis et aux rr. pp. jésui­tes: sur le sujet de la mon­de et de la poli­tique de ces pères. Paris F. Didot frè­res. http://archive.org/details/lesprovinciales00pasc.

Widen­house, Kathy. 2025. „The PAS Copy­wri­ting For­mu­la: The Best For­mat for Short Form Con­tent“. Non­pro­fit Copy­wri­ter. 31. März 2025. http://www.nonprofitcopywriter.com/PAS-copywriting-formula.html.

Bildnachweis

Foto von Bru­no Mar­tins auf Uns­plash

“Money comes from paper.” (Fundraising-Weisheit #7)

Unse­re Kom­mu­ni­ka­ti­on wird immer digi­ta­ler. Wel­che Aus­wir­kun­gen hat das für den klas­si­schen Spen­den­brief? Gehört er (bald) zum alten Eisen oder gilt die Weis­heit “Money comes from paper.) wei­ter­hin? Mit einem Blick auf ver­schie­de­ne Stu­di­en­ergeb­nis­se soll das Bild kla­rer werden.

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Es gibt Augen­bli­cke, die bren­nen sich unmit­tel­bar in das Gedächt­nis ein. Ein sol­cher Moment war für mich ein Vor­trag von Ste­ven Pidge­on beim Inter­na­tio­nal Fund­rai­sing Con­gress (IFC) 2014. Da hob die­ser Exper­te die Stim­me an und sag­te: „Don’t for­get:“, und es folg­te eine Pau­se, „Money comes from paper.“

Pidge­on ver­kürz­te damit eine bekann­te Rede­wen­dung (“Money comes from paper and paper comes from trees.”) und deu­te­te sie auf Spen­den­brie­fe um. “Money comes from paper” war für ihn die Schluss­fol­ge­rung aus einem Fall­bei­spiel. Er hat­te als tem­po­rä­rer Bera­ter eine cross­me­dia­len Kam­pa­gne einer NGO in Däne­mark beglei­tet. Es gelang via Social Media, TV und out of home-Wer­bung jede Men­ge Auf­merk­sam­keit zu gene­rie­ren. Doch das Spend­en­er­geb­nis blieb deut­lich unter dem Erwart­ba­ren und ver­gleich­ba­rer Aktio­nen. Was war pas­siert? Die Ver­ant­wort­li­chen in der NGO hat­ten auf Direct Mail, die klas­si­schen Spen­den­brie­fe, im Maß­nah­men­mix ver­zich­tet. Ob das aus Kos­ten­grün­den oder einer eupho­ri­schen Tech­nik­be­geis­te­rung geschah, kann ich nicht mehr erin­nern. Die Grün­de sind auch nicht wich­tig, was inter­es­siert, ist das Resultat.

Ein Mar­ke­ting­be­ra­ter aus dem Pro­fit­be­reich erzähl­te mir vor Weih­nach­ten von einem sei­ner Kun­den. Ein natio­nal täti­ges Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men, das als Inter­net-Start­up begon­nen hat­te. Es gewinnt inzwi­schen den weit­über­wie­gen­den Teil sei­ner Neu­kun­den via Direct-Mail.

Nun darf man nicht von Ein­zel­fäl­len auf all­ge­mei­ne Aus­sa­gen schlie­ßen. Die Erfah­run­gen mei­ner eige­nen Fund­rai­sin­g­pra­xis für die Evan­ge­li­sche Kir­che in Mann­heim und ihre Dia­ko­nie schei­nen die­se Weis­heit jedoch eben­falls zu stüt­zen. Die Ergeb­nis­se der Spen­den­brief­kam­pa­gnen und die Zahl der ver­schick­ten Mai­lings wach­sen Jahr um Jahr. Wel­che Aus­wir­kun­gen hat die Digi­ta­li­sie­rung nun tat­säch­lich auf das Werk­zeug der Spen­den­brie­fe? Sind sie im Aus­ster­ben begrif­fen oder doch ein blei­ben­der Bestand­teil jedes Fundraising-Mixes?

Ein Blick in die Studien

Also zie­he ich eini­ge Stu­di­en und Sta­tis­ti­ken zu Rate. Micha­el Ursel­mann unter­such­te für sei­nen Vor­trag „Wan­del der (Spender)Generationen“ (gehal­ten beim Bad Hon­ne­fer Fund­rai­sing Forum 2018 ) die Nut­zung des Spen­den­briefs (Mai­ling) für die Neu­s­pen­der­ge­win­nung via Kalta­dress-Mai­lings der Kun­den des Dienst­leis­ters GFS. 82% der so gewon­ne­nen Neu­s­pen­der gehö­ren gemäß einer Vor­na­men­ana­ly­se der Gene­ra­ti­on der Wie­der­auf­bau­er (66+ Jah­re) an. Nur 15% sind Baby­boo­mer (51–65) und 3% Ange­hö­ri­ge der Gene­ra­ti­on X (36–50) (ebd. S.12). Nun sind die­se Zah­len mit etwas Vor­sicht zu genie­ßen, wur­den sie als Durch­schnitt über alle Kun­den der GFS gebil­det. Es gibt kei­nen Hin­weis dar­auf, dass die aus­ge­wer­te­ten Adress­da­ten gemäß der sta­tis­ti­schen Ver­tei­lung der Alters­grup­pen in der Bevöl­ke­rung oder der spen­den­den Per­so­nen in Deutsch­land gewich­tet wurden.

Mai­lings sind bei der Neu­s­pen­der­ge­win­nung eine Generationenfrage.

Als nächs­tes neh­me ich den Dia­log­mar­ke­ting Moni­tor der Deut­schen Post AG zur Hand. Nach Anzei­gen­wer­bung und Online­mar­ke­ting bele­gen die Wer­be­sen­dun­gen Platz 3 bei den belieb­tes­ten Wer­be­me­di­en Deut­scher Unter­neh­men (NPOs sind nicht berück­sich­tigt). Dabei haben die Wer­be­sen­dun­gen 2017 sogar das größ­te Wachs­tum im Ver­gleich zum Vor­jahr (+0,4 Mrd. €) auf­zu­wei­sen. Voll­adres­sier­te Wer­be­sen­dun­gen machen hier den Groß­teil aus (6,5 Mrd. € total; ebd. S.14). „Jedes drit­te deut­sche Unter­neh­men macht geziel­te Bestands­kun­den­wer­bung, also Wer­bung, die sich spe­zi­ell an bereits vor­han­de­ne Kun­den des Unter­neh­mens rich­tet. Für 28 % die­ser Unter­neh­men ist die papier­ba­sier­te, voll­adres­sier­te Wer­be­sen­dung das wich­tigs­te Medi­um ihrer Bestands­kun­den­wer­bung.“ (ebd. S.7)

Mai­lings sind ein unver­zicht­ba­res Mit­tel der Spenderbindung.

Dann schaue ich mir noch die Pres­se­infor­ma­ti­on für die Bilanz des Hel­fens 2018 von der Gesell­schaft für Kon­sum­for­schung (GfK) und des Deut­schen Spen­den­rats an. Auf die Fra­ge „Was hat den (Haupt-) Anstoß zur Spen­de gege­ben?“ ant­wor­te­ten 22,7% der Befrag­ten, dass dies ein per­sön­lich adres­sier­ter Brief war (ebd. S.18). Die­ser Wert schwank­te in den Jah­ren 2014 bis 2017 zwi­schen 20,8% und 24,7%. Im glei­chen Zeit­raum gaben zwi­schen 22,0% und 27,5% der Befrag­ten an, dass sie regel­mä­ßig spen­den, d.h. „im Sin­ne von ‚ich spen­de immer für die­se Orga­ni­sa­ti­on‘“. Was für für die­se regel­mä­ßi­gen Spen­den ursprüng­lich ein­mal den Anstoß gege­ben hat, bleibt eben­so unklar wie der Umstand, ob die so ant­wor­ten­den Per­so­nen auch einen Spen­den­brief erhal­ten haben. Mut­maß­lich spielt bei die­ser Grup­pe der Spen­de­rIn­nen das Mai­ling eine Rol­le. Auf jeden Fall sind der Spen­den­brief und die regel­mä­ßi­gen Spen­den mit wei­tem Abstand die wich­tigs­ten Spen­den­an­läs­se für die befrag­ten Spen­de­rIn­nen. Sozia­le Medi­en (0,3%) und das Inter­net (2,1%) ran­gie­ren noch weit am Ende der Skala.

Mai­lings sind wei­ter­hin der wich­tigs­te Spendenanstoß.

Dass die Deut­sche Post AG in ihren Äuße­run­gen den Ein­druck erweckt, dass die Zahl der in Deutsch­land ver­schick­ten Brie­fe dras­tisch sinkt und die Zeit der Brief­post sich dem Ende neigt, ist nicht halt­bar. Auch wenn die Deut­sche Post AG selbst weni­ger Brief­sen­dun­gen ver­schickt, ver­sen­den ihre Kon­kur­ren­ten mehr. Es ist, wie man dem Tätig­keits­be­richt 2016/17 der Bun­des­netz­agen­tur ent­neh­men kann (ebd. S. 14), seit Jah­ren ein sta­bi­les Auf­kom­men von ca. 16 Mrd. Brief­sen­dun­gen pro Jahr zu verzeichnen.

Mein Fazit: Die Weisheit gilt weiterhin

Die Weis­heit gilt bis auf wei­te­res wei­ter­hin. Der ana­lo­ge Spen­den­brief ist nach wie vor unver­zicht­bar im Fund­rai­sing-Mix. Ins­be­son­de­re für die Pfle­ge von Spen­de­rIn­nen ist er das Mit­tel der Wahl. Der Papier­brief ist in einer mehr und mehr digi­ta­li­sier­ten Welt ein Medi­um, das die per­sön­li­che Wert­schät­zung und Anspra­che über­zeu­gend trans­por­tie­ren kann. Zudem ent­geht er der Gefahr, in der Flut elek­tro­ni­scher Nach­rich­ten unter­zu­ge­hen, sticht durch sei­ne phy­si­sche Prä­senz im Brief­kas­ten her­vor. Mit der Phy­sis ist auch die Hap­tik ver­bun­den, eine wei­te­re kate­go­ria­le Unter­schei­dung zu den elek­tro­ni­schen Medien.

Auch für die Neu­s­pen­der­ge­win­nung mit­tels gemie­te­ter Kalta­dres­sen wird der Spen­den­brief noch eini­ge Jah­re, zumin­dest für die Spen­de­rIn­nen der Wie­der­auf­bau­erge­ne­ra­ti­on, eine Rol­le spie­len. Zwei­fel dar­an, dass sich die Baby­boo­mer oder die Gene­ra­ti­on X in Zukunft von die­sem Medi­um noch als Neu­s­pen­der anspre­chen las­sen, schei­nen nicht unbe­grün­det zu sein. Es wird mehr und mehr dar­um gehen, den Fund­rai­sing-Mix an die gewan­del­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­wohn­hei­ten anzu­pas­sen und damit aus­zu­wei­ten. Ob dann der Spen­den­brief im Rah­men der Spen­der­pfle­ge für die­se Gene­ra­tio­nen ein pro­ba­tes Mit­tel blei­ben wird, muss sich erst zeigen.

Für gro­ße Mit­glie­der­or­ga­ni­sa­tio­nen wie den Kir­chen oder bestimm­te Wohl­fahrts­ver­bän­de macht die Neu­s­pen­der­ge­win­nung per Brief wei­ter­hin sehr viel Sinn. Die Respon­se­quo­ten und der ROI bei Mai­lings an Mit­glie­der, die bis­lang Nicht­spen­de­rIn­nen waren, lie­gen i.d.R. weit über den Zah­len von gemie­te­ten Adres­sen für die Kalta­qui­se. Meist schaff­te man mit Mit­glie­der­mai­lings auf Anhieb den break-even. So gilt hier von Beginn an: „Money comes from paper.“

Bild: Ste­f­an­Hoff­mann by pixabay.de under crea­ti­ve com­mons licence

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